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01.09.2008

Billige Personalressource

Großunternehmer versuchen seit Jahren, eine billige Personalressource zu kreieren, eine nachhaltig verarmende Unterschicht, deren Ausbeutung von der Gesellschaft akzeptiert werden soll. Mindestlöhne stehen diesem Interesse entgegen. Diskreditierung ganzer Menschengruppen ist ein typisches manipulatorisches Element, um der Ausbeutung den Weg zu ebnen.

Beispiele:

  1. Florian Gerster, der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste (NBZ), in dem vor allem PIN MAIL und TNT Post organisiert sind, wird nicht müde, immer wieder die Mitarbeiter der unteren Lohnstufen, der in der NBZ organisierten Unternehmen, als Geringqualifizierte, ehemals Langzeitarbeitslose zu bezeichnen, die sonst keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt hätten, um so Verständnis für eine Stundenlohnzahlung von 2,30 Euro unterhalb des Post-Mindestlohns zu gewinnen.
  2. Herr Sinn, Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, 05.12.07: Mindestlöhne führten zu Abbau von Arbeitsplätzen; denn viele Menschen seien nun mal nicht so leistungsfähig, dass sie von ihrer Hände Arbeit leben könnten. Zitat-Quelle: fr-online.de "Reizende Reformen"
  3. Welt Online (Springer-Verlag, siehe Springer-Imperium) hat diesem Anliegen einen an Unverschämtheit kaum zu überbietenden Leitartikel (Welt Online 09.12.07) gewidmet.

Auszüge:

Was aus dem Post-Debakel für den Mindestlohn folgt
[...]
Wie gehen wir mit Menschen um, die aus eigener Kraft kein hohes Einkommen erzielen können?
[...]
Es gibt in Deutschland viele Menschen, die aufgrund ihrer Fähigkeiten, Persönlichkeit oder besonderer Umstände keine Arbeit finden (oder leisten) können, mit der sie genug verdienen, um mit der Familie davon zu leben. Die meisten dieser Menschen sind arbeitslos.
[...]
Immerhin nimmt die Arbeitslosenzahl ab - auch weil es mehr gering bezahlte Jobs gibt.
[...]
Eine Forderung lautet: Wer Vollzeit arbeitet, muss davon auch leben können. Aber heißt der Umkehrschluss dann: Wer mit einem Vollzeitjob nur weniger verdienen kann, darf nicht arbeiten?
[...]
Gesucht ist also eine Lösung, die Unternehmen den höchsten Anreiz bietet, Jobs auch für Geringqualifizierte anzubieten
[...]
Am nächsten kommt dem in der Tat ein gesetzlicher Mindestlohn
[...]
Ökonomen halten etwa fünf Euro für vernünftig
Ich weise darauf hin, dass in dem Artikel die Rede von ganz normal arbeitenden Menschen ist, z.B. von Briefzustellern der neuen Briefdienstleister, die, wenn sie bei der Deutschen Post AG arbeiten würden, respektvoll von der Öffentlichkeit betrachtet und nicht als verkappte Asis angesehen würden. Und ich möchte auch daran erinnern, dass deren Arbeitgeber Briefzusteller nicht aus sozialen Gründen nebenbei beschäftigen, sondern, dass sie sie für ihre potentielle Gewinnerzielung brauchen, weil sie ihr Kerngeschäft erledigen.

  • Warum erzielen sie kein hohes Einkommen? Liegt es an ihrer Kraft? Liegt es an ihren Fähigkeiten? Liegt es an ihrer Qualifikation? Liegt es an ihrer Persönlichkeit?
    Nein, es liegt an dem besonderen Umstand, dass man sie ausbeuten will.
  • Warum waren einige von ihnen jemals arbeitslos und werden es voraussichtlich auch nochmal sein? Hat es damit zu tun, dass sie kraftlos, unfähig, geringqualifiziert und schwierig sind?
    Nein, das hat mit dem besonderen Umstand zu tun, dass Massenarbeitslosigkeit herrscht. Und die wiederum hat mit vielem zu tun, unter anderem damit, ob die Wirtschaft nachhaltige Arbeitsfelder schaffen oder kurzfristige Maximalgewinne generieren will.
  • Nimmt die Arbeitslosenzahl ab, wenn es mehr gering bezahlte Arbeitsplätze gibt?
    Ja.
  • Nimmt die Zahl der Hartz IV-Empfänger ab, wenn es mehr gering bezahlte Arbeitsplätze gibt?
    Nein. Gegebenfalls nimmt sie zu.
  • Darf jemand, bei einem Arbeitgeber für weniger Geld, als er zum Leben braucht, arbeiten?
    Das darf er. Er muss aber noch genau so viele Arbeitsstunden am Tag frei haben, um einen zweiten Job annehmen zu können, damit das Geld dann reicht.
Es ist eine Frechheit, jemanden auszubeuten und dann zu sagen, er könne aus eigener Kraft kein hohes Einkommen erzielen.

Und es ist ein mitbürgerliches Vergehen, den Wert ganzer Menschengruppen derartig herab zu setzen und den Versuch zu starten, diese Bewertung in die Köpfe der Öffentlichkeit zu pflanzen, um dann Legitimation zu erhalten, diese Menschengruppen für weniger Geld genauso wie die anderen arbeiten zu lassen.


Links dazu:

  • tagesschau.de, 13.12.07: Hartz-IV-Empfänger Zielscheibe von Diskriminierung
    Interview mit dem Soziologen Wilhelm Heitmeyer
    Hartz-IV-Empfänger Zielscheibe von Diskriminierung
    Seit 2002 untersucht der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer Fremdenfeindlichkeit, Rassenhass und Diskrimierung in Deutschland. Im 6. Band seiner Untersuchung "Deutsche Zustände" stellt er fest, dass die Fremdenfeindlichkeit "signifikant" gesunken ist – als Folge der gesunkenen Arbeitslosenzahlen. Wenn das eigene Leben und der Arbeitsplatz nicht bedroht erscheinen, ist die Ablehnung von Zuwanderern nicht mehr so groß. Die Abwertung von Langzeitarbeitslosen jedoch wächst. Langzeitarbeitslose und Hartz-IV-Empfänger werden zur "Zielscheibe öffentlicher Debatten", warnt Heitmeyer.
  • taz.de, 12.12.07: Der Gott des Wettbewerbs
    Es ist reine Ideologie. Aber welche?
    Der Gott des Wettbewerbs
    KOMMENTAR VON ERHARD EPPLER

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