25.06.2016

Moderne Sklaverei in Europa

Um deutlich zu machen, dass man nicht von Sklaverei in vergangenen Epochen, sondern von Sklaverei, die aktuell stattfindet, spricht, nennt man diese "Moderne Sklaverei".

Laut "Global Slavery Index" sind 2016 weltweit schätzungsweise rund 45,8 Millionen Menschen versklavt, rund 1,24 Millionen davon in Europa. In Deutschland leben schätzungsweise 14,5 Tausend Menschen als Sklaven.

65 Prozent der identifizierten Opfer von Menschenhandel in Europa stammen aus der Europäischen Union (EU), vor allem aus Osteuropa, darunter Rumänien, Bulgarien, Litauen, Slowakei. Nicht-EU-Opfer von Menschenhandel nach Europa, stammen vor allem aus Nigeria, China und Brasilien. Betroffen sind Kinder, Frauen und Männer. In 80 Prozent der in der EU behördlich erfassten Fälle sind die Opfer weiblich.

Formen der Sklaverei


Kommerzielle sexuelle Ausbeutung und Zwangsarbeit sind die am häufigsten berichteten Formen der modernen Sklaverei in Europa. Fälle von Zwangsarbeit wurden in ganz Europa berichtet, in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fleischwirtschaft, Fischerei, auf dem Bau, in der Gastronomie, der Textilindustrie, der Hausarbeit und anderen Arbeitsfeldern. Fälle von Zwangsverheiratung von Kindern wurden vor allem in der Türkei identifiziert. Sie ist zwar auch dort verboten, da Eheschließungen jedoch nicht behördlich kontrolliert werden, fallen sie Behörden nur dann auf, wenn Schwangerschafts- und Geburtsprobleme auftreten. In Bulgarien trifft man auf Kinder, die in Zwangsbettelei verkauft oder vermietet wurden. Innerhalb einiger bulgarischer Roma-Gemeinschaften, gilt auch erfolgreicher "Brautraub " nach wie vor als legale Eheschließungsmethode.

Täter


Kriminelle Banden betreiben Menschenhandel über komplexe Netzwerke. Sie rekrutieren die Opfer mit Gewalt oder locken sie mit falschen Versprechungen in die Falle, nicht selten unter Mithilfe von Menschen, die den Opfern nahe stehen. Sie transportieren die Opfer über Land-, See- oder Luftweg und haben verbindungseigene Zwischenstationen entlang der Routen. Teil des Netzwerks sind immer auch korrupte Behörden oder einzelne korrupte behördliche Mitarbeiter. Am Ende der Kette sitzen gierige Unternehmer und Privatleute, die die Opfer ausbeuten oder missbrauchen wollen.

Zusätzlich zur Nutzung von Sklaven innerhalb Europas, sind europäische Unternehmen und Verbraucher auch Komplizen von Sklaverei außerhalb Europas, wegen der Waren, die innerhalb Europas vertrieben, aber außerhalb Europas von Sklaven produziert und befördert werden.

Gefährdung


Menschen, die sehr arm sind und keinen persönlichen, bürgerlichen und politischen Schutz genießen, sind besonders gefährdet, in Sklaverei zu landen oder ihre Nächsten in dieses Schicksal zu schicken.

Roma-Gemeinschaften gehören zu den am stärksten an den Rand der Gesellschaft und Aufmerksamkeit gedrängten Bevölkerungsgruppen innerhalb Europas. Aufgrund ihrer Armut und ihrem fehlenden Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, sind ihre Mitglieder besonders gefährdet, vor allem die Kinder, die aufgrund von Not verkauft oder vermietet werden.

Die Flüchtlinge, die 2015 und 2016 nach Europa gekommen sind, sind ebenfalls eine sehr gefährdete Gruppe. Ob und, wenn ja, wieviele von ihnen in Sklaverei gelandet sind, ist noch nicht schätzbar und noch nicht Teil der genannten Zahlen. Aus Berichten von Flüchtlingen weiß man aber, dass schon entlang der Fluchtrouten Menschenhändler aktiv wurden. Je einsamer, jünger und ärmer die Flüchtlinge, umso gefährdeter waren sie. Da, wegen der großen Flüchtlingszahlen, die Aufnahme in Europa sehr schleppend und unübersichtlich verlief, kann es sein, dass etliche Flüchtlinge dauerhaft zu Opfern der Sklavenhändler wurden. Besonders beunruhigt ist man wegen 10 Tausend Kindern, von denen man nicht weiß, wo sie seit ihrer Registrierung abgeblieben sind.

Faktoren, die innerhalb eines Staates und seiner Gesellschaft Schutz vor Anfälligkeit für Sklaverei und Ausbeutung der Einwohner bieten:

  • Frieden
  • Demokratie
  • Menschenrechte
  • Wirtschaftliche Rechte
  • Geringes Maß an Diskriminierung (Schutz vor Diskriminierung)
  • Vertrauenswürdigkeit des Justizsystems
  • Bezahlbare Gesundheitsleistungen
  • Zugang zu sozialen Dienstleistungen
  • Zugang zu Bildung
  • Gute stabile wirtschaftliche Situation mit guten Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten (Wenig Arbeitslosigkeit und Niedriglohnarbeitsverhältnisse)
  • Geringes Maß an Korruption (Bekämpfung von Korruption)
  • Geringes Maß an Kriminalität (Bekämpfung von Kriminalität)
  • Politische Stabilität
Und, wie ich persönlich meine, auch:
  • Geringes Maß an Gier (Bekämpfung rücksichtsloser Gier)
  • Hohe Empathie-Werte
  • Hohes Maß an gelebtem gegenseitigem Respekt

Viele europäische Länder belegen in etlichen der Punkte im weltweiten Vergleich einen hohen Rang. Das gilt aber nicht für alle europäischen Länder gleichermaßen, insbesondere Kosovo, Türkei, Albanien, Bosnien und Herzegowina sowie Griechenland weisen ein höheres Risikoprofil auf.

Bekämfung moderner Sklaverei durch die Regierungen


Westeuropäische Länder haben im weltweiten Vergleich in der Regel gut entwickelte Regierungsantworten auf moderne Sklaverei. Dies spiegelt sich sowohl in einer Kombination von Ressourcen als auch im politischen Willen wider, der in den Ländern der Region dazu geführt hat, die Vereinbarung zu treffen, Normensetzung und unabhängige Überwachungsbemühungen zu klären.

Zum Beispiel gibt es innerhalb des Europarates* die Expertengruppe für die Bekämpfung von Menschenhandel (Group of Experts on Action against Trafficking in Human Beings, GRETA). Sie überwacht die Umsetzung der Konvention des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels. GRETA erstellt einen Bericht und Schlussfolgerungen zur Umsetzung der Konvention durch jede Vertragspartei. Bei der Konvention geht es darum, mittels starker regionaler Zusammenarbeit und Engagement, Verbrechen der modernen Sklaverei zu bekämpfen.
* Der Europarat ist die älteste Organisation europäischer Staaten für zwischenstaatliche und interparlamentarische Zusammenarbeit insbesondere zur Förderung der Menschenrechte, pluralistischer Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Alle Länder in Europa kriminalisieren moderne Sklaverei, entweder in ihrem allgemeinen Strafrecht oder mittels spezifischer Gesetzgebung bezüglich Menschenhandel. Die Niederlande, das Vereinigte Königreich, Schweden, Portugal und Kroatien haben die stärksten Reaktionen auf moderne Sklaverei in Europa. Im Allgemeinen haben diese Länder hohe Werte bei Messungen im Bereich der Strafverfolgung, Opferhilfe und Adressierung von Verwundbarkeit, um den Zyklus der modernen Sklaverei zu brechen.

Diese Länder haben
  • staatlich finanzierte Opferhilfsdienste
  • erschwingliche öffentliche Gesundheitsversorgung und Grundschulbildungssysteme
  • allgemeine Anti-Menschenhandels-Polizeiausbildung
  • gegen den Menschenhandel spezialisierte Polizeieinheiten
  • Berichterstattungsmechanismen
und alle (mit Ausnahme von Schweden) sind derzeit zur Umsetzung nationaler Aktionspläne (NAP) verpflichtet, die zur Bekämpfung moderner Sklaverei dienen sollen.

Die umfangreichsten Bemühungen, Sklaverei zu bekämpfen und möglichst schon zu verhindern, zeigen die Niederlande.

Einige der Länder in Europa sind mehr betroffen von Korruption und Komplizenschaft als andere. Rumänien beispielsweise macht sich fortwährend der Mittäterschaft an der Ausbeutung gefährdeter Bevölkerungsgruppen schuldig, durch fehlende Strafverfolgung, nachsichtige Gerichtsentscheidungen und einen Mangel an Opferschutz.

Im Oktober 2015 erließ das Vereinigte Königreich das Gesetz mit dem Namen "Modern Slavery Act 2015". Dies verlangt von den Unternehmen mit einem Jahresumsatz von £ 36 Millionen oder mehr die Berichterstattung über Schritte, die sie unternommen haben, ihre globalen Lieferketten gegen moderne Sklaverei zu sichern. Dies wirkt sich auf rund 17.000 Unternehmen im Vereinigten Königreich aus, was auch Wirkung auf globale Lieferketten rund um die Welt zeigen wird. Bislang haben die anderen europäischen Länder diese Initiative noch nicht in ihrer Gesetzgebung verankert.

Die ersten Berichte fielen allerdings spärlich aus und erfüllten noch nicht das Geforderte.

Links dazu:

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